Bekanntschaft: Levis
Es ist Feierabend (mal wieder). Ich stehe an der Haltstelle für die heißersehnte MR4. Dann kommt ein Mann jüngeren Alters (etwa 30 Jahre) auf mich zu. Er fragt mich, ob die Miniroute hier war. Ich frage mich erst einmal, was er meint. Natürlich war sie schon einmal hier. Wäre blöd, wenn sie abends um 17:00 das erste Mal kommen würde. Die armen Leute, die morgens nach San Isidro wollen. Die müssten dann zu Fuß gehen. Dann aber verstehe ich, und antworte ihm, dass ich auch schon seit 10 Minuten warte. Alles klar, sagt er. Ob ich bezahlen kann. Klar, mach ich. Dann sind wir schon zu zweit und warten gemeinsam auf die Miniroute. Als der Bus kommt, drückt er mir 3 Cordoba in die Hand. Ich bezahle mit meiner Chipkarte für ihn. Insgeheim mache ich 50 Centavos Gewinn (Eine Busfahrt kostet nur 2,5 C$).
Im Bus stellt er sich als „Levis“ vor und fragt mich, ob ich aus den Staaten komme. Nein, aus Deutschland. Das hat er sich fast gedacht. Wir unterhalten uns über verschiedene Dinge. Ich erwähne, dass ich es doof finde, dass so wenige hier Englisch sprechen. Nicht, weil ich mich dann nicht so gut mit anderen verständigen kann, sondern auch, weil ich glaube, dass man ohne Englisch einfach viel verpasst, egal ob man nun Geld zum Reisen hat oder nicht. Er pflichtet mir bei.
Wir diskutieren länger über Schulbildung in Nicaragua und Deutschland. Er findet, dass hier in Nicaragua viel zu wenig in Schule investiert wird. Es mangelt nicht nur an Motivation der Kinder und Eltern, sonder auch an Motivation der Lehrer und allgemein an gebildeten Lehrern. Damals hatten die Sandinisten nach dem Sturz des Somoza-Clans 1980 eine beispielslose Analphabetisierungskampagne gestartet. Insgesamt 100.000 Freiwillige aus verschiedenen Ländern gaben im ganzen Land freien Alphabetisierungsunterricht. Nach zwei Jahren wurde die Alphabetisierungsrate von gut 50% auf knapp 90% angehoben. Aber nur weil sie lesen können, heißt es nicht, dass sie Lehrer sind. Tatsache ist, dass es diesem Land an gebildeten Lehrern fehlt, sagt Levis. Teilweise bringen die Lehrer den Schülern sogar Sachen falsch bei. Bibliotheken oder ähnliches gibt es in Nicaragua nicht. Er beneidet die Zustände in Deutschland.
Bevor er aussteigt, tauschen wir noch Telefonnummern aus. Ich bleibe sitzen und verfolge ihn mit meinem Blick. Gut gekleidet ist er auf jeden Fall. Aber das heißt nichts in Managua. Egal, in welcher Blechhütte man lebt, man kleidet sich immer so gut wie nur möglich. Ob wir uns nochmal treffen?
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